„Je digitaler, je virtueller und dadurch sensorisch ärmer die Welt wird, desto mehr sehnen sich die Menschen nach realen Erfahrungen und echtem Erleben“. Dinge zu berühren und Haptik zu erleben, ist einer der eindrücklichsten und direktesten Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln. Trotz – oder gerade wegen – der Digitalisierung unserer Welt gewinnt die Haptik (Lehre vom Tastsinn) wieder an Bedeutung.
Schon 1983 prophezeite John Naisbitt den Megatrend High Tech/High Touch, der heute Wirklichkeit ist. Je technisierter die Welt, desto größer ist das Bedürfnis nach realen Begegnungen und Erlebnissen, nach dem Gefühl der Verlässlichkeit. Berühren ist ein menschliches Urbedürfnis und verbindet uns mit der Welt und gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. Ohne Berührung fehlt etwas Entscheidendes. In einer Zeit der Überkommunikation geht es in Zukunft nicht mehr nur um die Menge der Kontakte, sondern auch um die Qualität, denn es erreicht uns sowieso zu viel, aber zu wenig berührt uns. Die Rolle haptischer Medien wie etwa das klassische Mailing wandeln sich dabei. Hier geht es heute hauptsächlich um die Kontaktqualität durch Emotionalisierung und Vernetzung mit digitalen Kanälen und nicht mehr um die Geschwindigkeit oder Quantität der Information.
Aus dem Produktdesign wissen wir, dass Berührung einzigartige Emotionen schafft und Differenzierung von Marken ermöglicht; und die Haptik ist der entscheidende Sinn wenn es darum geht, ein Versprechen glaubwürdig zu machen. Wir können uns versehen und verhören, aber verfühlen kennt unsere Sprache und unsere Psyche nicht. Das heißt Nutzen fühl- und damit begreifbar zu machen ist eine einzigartige Chance, um Glaubwürdigkeit zu gewinnen und sich im Wettbewerb zu differenzieren. Das kann beispielsweise auch mit Werbeartikeln gelingen, die richtig ausgewählt und eingesetzt, haptische Superkommunikatoren sind.
Der Haptik-Effekt im Verkauf
Der traditionelle Verkauf komplexer Produkte ist audiovisuell geprägt: Der Verkäufer erklärt sein Produkt und untermalt es mit bunten Bildern oder Diagrammen. Besonders bei schwer greifbaren Produkten und Dienstleistungen stößt dieser Ansatz jedoch an die Grenze der gestiegenen Reizschwelle. Der moderne Verkäufer versteht sich deshalb heute als serviceorientierter „Lehrer“: Er lehrt den Kunden die Relevanz und den Nutzen seines Angebotes. Der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi verriet uns dazu bereits vor über 200 Jahren, wie das geht: Am besten lernen Menschen mit „Hirn, Herz und Hand“. Dinge die wir anfassen, begreifen wir leichter, glauben sie eher und behalten sie länger.
Da man komplexe Produkte und Dienstleitungen aber nicht Probe fahren kann, helfen haptische Verkaufs- oder Erklärungshilfen dabei, abstrakte Versprechen wie Skalierbarkeit, Qualität, Sicherheit oder modulare Ausbaufähigkeit erlebbar zu machen.
Haptische Medien und darauf aufbauende Verkaufsprozesse erzeugen also konzentrierte Aufmerksamkeit, steigern die Erinnerung, vermitteln Glaubwürdigkeit, schaffen Wertschätzung und Kaufbereitschaft. Verkäufer profitieren dabei von den vielfältigen psychologischen Mechanismen des Haptik-Effekts. Einer der Wertvollsten dabei: Sowohl der Verkäufer als auch sein Kunde haben mehr Spaß an der Begegnung.
Haptik in der digitalen Welt
Ist die Haptik eigentlich auch in der rein digitalen Welt wichtig? Auf jeden Fall. Das zeigt schon die Explosion der Touchscreen-Geräte. Es gibt bereits haptische Touchscreens mit verschiedenen Oberflächentexturen. Auch der 3D-Druck ist ein Signal in diese Richtung – es warten spannende Entwicklungen auf uns.
In der Zwischenzeit lässt sich das Problem der fehlenden Berührung im Internet mit einer haptischen Bildsprache abfangen. Super Zoom-Effekte zum Beispiel erzeugen die Illusion ein Objekt in Augenschein zu nehmen. Das ist simulierte Haptik, denn Bilder können in unserem Gehirn die gleichen Areale aktivieren, wie die eigentliche Aktion. Konsumenten kaufen eher, wenn die Werbung ein Produkt zum Greifen nahe aus der Ich-Perspektive des Betrachters zeigt und Griffmöglichkeiten rechts dargestellt werden, da die meisten Menschen Rechtshänder sind.
Wir danken Olaf Hartmann für diesen Gastbeitrag! Wer noch etwas tiefer in den Bereich der Haptik einsteigen möchte, dem empfehlen wir das Buch der Marketingfachleute Olaf Hartmann und Sebastian Haupt: „Touch!“. Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing, für 39,95 Euro bei Haufe und im Buchhandel erhältlich.
Olaf Hartmann ist einer der Pioniere für die Anwendung der Haptik in Kommunikation und Verkauf und ein Wegbereiter des multisensorischen Marketings in Deutschland. Als inspirierender Vortragsredner, Autor und Berater kann er auf überzeugende Beispiele aus Forschung und Praxis verweisen. Er ist Geschäftsführer der Agentur Touchmore und des Multisense Instituts für multisensorisches Marketing.